Vom Lügen

Das ist nun mal nicht zu vermeiden,
Vielmehr, es ist die schlimme Norm,
Dass Worte meist Gedanken kleiden,
Die mit dem Sinne nicht konform.

Und ward die Menschheit auch erzogen,
Und hat das Christentum gesiegt,
Es wird halt immer noch gelogen,
Dass sich der stärkste Balken biegt.

Gelogen wird in Liebessünden;
Es lügt, wer neidisch und ergrimmt.
Ja, selbst in edlen Völkerbünden
Hört man zuweilen, was nicht stimmt.

Ein keck genossenes Vergnügen,
Ein Blümchen, was man heimlich pflückt,
Bedingt zuweilen so viel Lügen,
Dass man sich selber drin verstrickt.

Es lügt sich hübsch bei Maienbowlen.
Der Jäger lügt im dunklen Tann.
Und selbst die guten Eltern fohlen
Zuweilen ihre Kinder an.

Doch wenn dein Söhnchen ein Filou war
Und du, als zorniger Vater, dann
Beginnst: „Als ich so alt wie du war...“,
Dann hebt der Lüge frechste an!


Rudolf Presber