Das verkannte Buch

 

Es kündet von der Kanzel,
In einem Bauernort,
In seinem heil’gen Eifer
Ein Priester Gottes Wort.

Und ruft mit Donnerstimme,
Wie in der jüngsten Zeit
Die unbeschützte Tugend
In Not zum Himmel schreit.

Und ebenso verdammt er
Das neue Schriftentum
Und sagt: „Es gibt so Bücher,
Die machen euch nur dumm!

Drum, wer von euch, ihr Lieben,
Bekommt solch Buch zur Hand,
Das seinen Sinn verwirret,
Der bring mir‘s unverwandt.“

Da kommt des andern Morgens
Ein altes Bäuerlein
Und meldet sich beim Pfarrer,
Der lässt den Alten ein.

„Herr Pfarrer!“ – spricht der Bauer
Und küsst des Priesters Hand -
„Ihr habt so schön gepredigt,
Dass alles ich verstand.

Auch das von solchen Büchern,
Drauf’s lastet wie ein Fluch;
Hier bring ich Euch, Herr Pfarrer,
Ein solch verdammtes Buch.

Das hat, wie Ihrs gepredigt,
Mir ganz verwirrt den Sinn.“
Mit diesen Worten legt er
Sein Steuerbuch ihm hin.


Wilhelm Cappileri