Der Auerhahn


Es war einmal ein Auerhahn,
Ein recht verliebter Don Juan.
Kein zweiter in dem Tannenwald
Glich ihm an Kraft und Wohlgestalt,
Und unternehmend war er schier
Wie ein Husarenoffizier,
So dass er von der Hennen Schar
Gefürchtet und vergöttert war. -
Doch einen Fehler hatte er,
Der wurde für ihn folgenschwer.
Er pflegte, ging’s zum Stelldichein,
Sein Glück in alle Welt zu schrein.
So wurde es bekannt alsdann
Jedweder Kreatur im Wald.
Einmal, der Morgen graute kaum,
Saß unser Hahn auf seinem Baum
Und schrie und jauchzte fast wie toll,
Dass ringsherum der Wald erscholl.
Im Dickicht aber während dessen,
Hat still ein Jägersmann gesessen
Der fand den Hahnen auf der Balz,
Wollt auf den Schwanz ihm streuen Salz,
Doch weil der Hahn ihm saß zu hoch,
Schoss er ihm durch die Brust ein Loch,
So dass der arme Don Juan
Vom Baume fiel als toter Hahn.

Ein Lehrgedicht muss allemal
Besitzen eine Schlussmoral.
Sie folgt auch diesmal hinterher,
Jedwedem jungen Hahn zur Lehr:
Was dir der Frauen Gunst verschafft,
Ist: Erstens, volle Manneskraft,
Verwegenheit zum zweiten – und
Zum dritten ein verschwiegener Mund.
Wer nicht den Schnabel halten kann,
Der denke an den Auerhahn!


Rudolf Baumbach