Das Märchen vom Pantoffel

(mit Pantoffel als Attrappe)

Es war einmal vor langer Zeit
ein König groß und mächtig,
sein Reich war eitel Herrlichkeit,
sein Schloss war fest und prächtig.

Doch lieber ihm und schöner war
als alles, was ihm blühte,
sein Töchterlein mit blondem Haar
und fröhlichem Gemüte.

Wie war das holde Königskind
so lieblich anzuschauen,
mit Wangen frisch wie Morgenwind
und Augen süßen blauen.

Doch rings mit stolzer Wipfel Wehn
ein Wald das Schloss umfasste,
allwo die herrlichste der Feen
haust im Kristallpalaste.

Mit mütterlicher Zärtlichkeit
war sie der Maid gewogen,
hat rein und echt für Lust und Leid
das junge Herz erzogen.

Als so in Glück und Frieden schon
die Kinderzeit verronnen,
hat bald ein edler Königsohn
des Mägdleins Herz gewonnen.

Die Hochzeitsfeier rückt heran
mit Glanz und Festgepränge -
im Schlosse wogt treppab, treppan
ein wimmelndes Gedränge.

Der vielgeliebten Herrin bracht
ein jeder nach Vermögen;
des Reichen Gab war Gold und Pracht,
des Armen – Wunsch und Segen.

Da kommt in Rosenduft und Schein
die Fee einhergeschritten
und trägt ein Kästchen klein und fein
zum Tisch in Saales Mitten.

Und alles drängt herzu mit Macht,
das Wunder zu beschauen -
die Fee erhebt den Deckel sacht -
darf man den Augen trauen??

Nicht Perlen noch Demanten licht,
nicht schimmernd Goldgeschmeide,
nein, ein Pantoffel klein und schlicht
aus himmelblauer Seide.

„Wie? Was?“ so tönt es her und hin
in Staunen und Ekstase.
Die Zeremonienmeisterin
rümpft hoch die spitze Nase.

„Ciel! Ein Pantoffel! – Quel affront!
C‘est fort! – ich muss gestehen,
solch krassen faux-pas kann – fi donc!
nur eine Fee begehen.“

Die Fee mit lächelndem Gesicht
blickt still herum im Kreise
und ihre klare Stimme spricht
zur Jungfrau mild und weise:

„Nicht seltsam noch geringe soll
dir scheinen meine Gabe;
sie ist geheimen Zaubers voll
und meine beste Habe.

Verborgen sin in ihrem Schoß
die guten Lichtgewalten,
die einzig eurer Ehe Los
zum glücklichen gestalten.

Des Hauses Wohlstand und Gedeihn,
der Eintracht Geist vor allen,
Zufriedenheit und Fröhlichsein,
dem Nächsten Wohlgefallen.

Doch das der Zauber nicht in Ruh
und unentfesselt bliebe,
gehört von dir nur eins dazu:
Die rechte Frauenliebe.

Die Liebe, die zu jeder Frist
sich zeigt in frohen Mienen
und deren Zepter Sanftmut ist,
die selbst bereit, zu dienen.

Die stets erdenkt des Hauses Zier,
des Gatten Wohlbehagen,
die gleich sich bleibet für und für
in gut‘ und bösen Tagen.

Die jeden Wunsch von selbst erspäht
und jeden Zwiespalt gleichet,
die wie ein Stern im Hause steht,
dem alles Dunkel weichet.

Die nie ermüdet, nie erschlafft
im langen Zeitgetriebe,
die Himmelsglück auf Erden schafft,
die rechte, echte Liebe.

Wenn diese den Pantoffel schwingt,
erwacht sein Zaubersegen,
der Geister süßer Bann umschlingt
den Mann auf allen Wegen.

Und ruft das Leben ihn hinaus
zu Mühsal und Beschwerde,
drängt all sein Herz und Sinn nach Haus
zum lieben trauten Herde.

Wohl „unter dem Pantoffel“ dann
steht er, wie Göttermund es nennt,
doch lächelnd segnet jeder Mann
solch ein Pantoffelregiment.“

(evtl. hier Schluss)

Die Fee verschwand. Durchs Zimmer hin
flog Goldlicht in die Runde;
die Zeremonienmeisterin
stand da mit offenem Munde.

Der Prinz zur süßen Braut sich bog
und küsste sie innig leise;
und um die zwei Glückseligen zog
der Pantoffel die Zauberkreise.

A. Burchardt-Nienstein