Fräulein Donnerkeils Vorlesung über die Ehe

Die Darstellerin tritt möglichst im Reformkostüm und Kneifer auf, Eine große Aktenmappe hält sie in der Hand. Die Mappe hält sie dann aufgeschlagen auf den Tisch.


Gestatten Sie ein Wörtchen mir:
Bin Doktorin der Frauenrechte!
Ich schwur schon längst ohn‘ Unterlass
Gar grimme Fehde, tiefen Hass
Dem schlechten männlichem Geschlechte.
:,: Und reden will ich heut‘ :,:
:,: Will nützen die :,:
Will nützen die Gelegenheit.


Prosa.
(Nachdem sie die Mappe aufgeschlagen auf den Tisch gelegt hat)

Ja, reden will ich heute, eine donnernde Philippika will ich halten, denn soeben erfuhr ich, dass sich wiederum ein angehörige unsres Geschlechts von dem Ungeheuer Mann betören und in die Sklavenketten der Ehe führen ließ. Wie ist das möglich? – frage ich. Nur eins kann möglich sein, die junge Braut hat noch nie eine meiner Vorlesungen besucht, denn sonst – sonst – sonst hätte sie nie – nie –nie- das folgenschwere  „Ja“ gesprochen. – Sie hätte nie – nie – nie geheiratet, sondern wäre den von mir verteidigten Standpunkt treu geblieben, dass die Männer uns armen, schwachen Geschöpfen nur das Verderben bringen. – Der Herr Bräutigam lächelt, aber ich fürchte mich nicht – ich habe den Mut meiner Überzeugung, und ich werde reden! Was ist die Ehe? – frege ich. Die Ehe ist eine Institution, bei welcher wir Frauen stets den kürzeren ziehen. „Er soll dein Herr sein! – heißt es, und wir -? Wir sollen ihm Untertan sein, ihm dienen und ihm gehorchen! Ist das, so frage ich, ein gesunder Zustand? Nein, das ist er nicht, und wir Damen müssen uns deshalb vereinigen, solchen Zuständen ein Ende zu machen. Nicht der Mann, sondern das Weib ist die Krone der Schöpfung! Der Mann ist nur ein Schöpfungsversuch – deshalb hat auch der Schöpfer nach dem Mann die Frau erschaffen, weil er mit dem männlichen Wesen nicht zufrieden war. Wir natürlich in unsrer Langmut und Geduld haben uns das Heft aus den Händen nehmen lassen, und der Mann hat sich nach und nach Rechte angemaßt, die ihm nie im Leben zukommen. Aber das muss anders werden! Wir wollen die erste Geige spielen, wir wollen und müssen die Herren im Hause sein, der Mann hat uns zu parieren und sich unsern Anordnungen zu fügen! Die Untugenden der Männer schreien ja zum Himmel! Ja – und wir – die wir aus lauter Tugend zusammengesetzt sind, wir sollen das fünfte Rad am Ehewagen sein? Wir sollen ruhig zusehen, wie die Herren alle Abende etwas andres vorhaben – natürlich unter allerlei schönen Vorwänden, nur um in die Kneipe zu kommen. – Mit dem unschuldigsten Gesicht von der Welt schützen sie geschäftliche Besprechungen, ja sogar Geschäftsreisen vor, um ihren Junggesellen-Angewohnheiten frönen und im Kreise ihrer Kneipbrüder ihre Orgien feiern zu können. Und in welchem Zustand kommen sie dann nach Hause! – Krankheit spiegeln sie vor, und besorgt kocht ihnen das ahnungslose, vertrauensvolle Weibchen Tee, Kaffee, bringt sie ins Bett und wacht für sie – für sie, deren Krankheit weiter nichts ist, als ein mächtiger Kater. Das ist ein Skandal! – Hat nun das Frauchen nach einem neuen Kleide oder nach einem neuen Hute – oh! – dann brennt es in allen Ecken. Da sind schlechte Zeiten, da hat der Mann geschäftliche Verluste gehabt, da ist auf einmal kein Pfennig Geld mehr da, und der Hut und das Kleid, die gehen noch lange. Von der Mode haben die Männer keinen Dunst. Sie kennen wohl den Geschmack der Biere und das Aroma einer Zigarre; aber in Fragen der Mode sind sie dümmer als ein Säugling. Darum müssen wir erzieherisch auf die Männer einwirken, und das kann nur geschehen, wenn wir uns zusammenschließen und kategorisch erklären, von jetzt ab soll der Mann der Frau gehorchen! Wir haben das Frauenstimmrecht erlangt und sind mit dem Manne gleichberechtigt. Wir wollen aber mehr – wir wollen ihm Über sein! Alle Bräute, die in den Stand der Ehe treten, erhalten eine Unterwerfungsurkunde, die der Mann unterschreiben muss. Er begibt sich darin aller Rechte und erklärt, dass er seinem Weibchen in allen Stücken gehorsam sein will. – Selbstverständlich darf er auch einmal ausgehen, zu diesem Zweck erhält er eine „Erlaubniskarte“. Will er zu Hause rauchen, so muss er sich bei seiner Frau eine „Rauchkarte“ lösen. Natürlich bekommt er dies alles nur, wenn er sich sonst tadellos geführt und zu klagen keinen Anlass gegeben hat. –Zögern sie nicht, treten Sie ein in den Verein zur Befreiung der Frauen von der Tyrannenherrschaft des Mannes und stimmen sie mit mir ein in den Ruf: Hoch die Männer! Denn im Ernst kann man den Schlingels doch nicht böse sein. Ich habe gesprochen.
(Geht gravitätisch ab.)

Felix Renker