Die Ordnung der Natur


Der Bauer sprach zu seinem Weib:
„Dein Schaffen ist nur Zeitvertreib.
Das bisschen Kochen ist bequem;
verhungern wirst du nicht bei dem;
ich muss dazu die Klötze hacken,
mich schinden auf dem Hof und placken.“
„Hast wohl einen Tausch im Sinn?“
fragt sie; „es bringt mir nur Gewinn,
wenn ich hinfort das Feld bestelle,
und du die Suppe kochst, Geselle.“

Er sprach: „Das bin ich gern zufrieden.“
So schlossen sie beim Frühstück Frieden:
Die Frau nahm einen Strick zur Hand
und zog die Walzen übers Land,
dieweil der Mann zu Hause blieb
und fröhlich sich die Hände rieb.
„Nun muss ich erst das Feuer stochen,
mein Leibgericht dabei zu kochen:
Reisbrei mit Zucker und Kaneel,
das hält zusammen Leib und Seel’.“
Er dachte jetzt den Krug zu füllen;
da hört die Kuh im Stall er brüllen.

„Ja, brülle nur! Du wirst versehn;
muss erst das Wasser holen gehn,
weil sonst das Feuer am Holze frisst,
da noch sein Brennen unnütz ist.“
Er ging, den Eimer in der Hand
Zum Brunnen, wo schon mancher stand,
der auch den Schwengel schwingen wollte
der ihm das Wasser schöpfen sollte.
Darüber brüllt die Kuh aufs neu.
„So schweig doch still, du kriegst schon Heu!“
Da setzt er seinen Eimer hin,
und als er voll war, lief der Tropf
und goss das Wasser in den Topf
und hob ihn auf des Herdes Glut;
und eh er noch sich ausgeruht,
brüllt schon die Kuh zum dritten Mal.
"Das ew'ge Brüllen ist fatal!
Mir wird ganz wüst davon im Kopf.
Erst muss der Reis ja in den Topf:
Wie sollt er sonst denn kochen können?
Die Zeit wird mir die Kuh noch gönnen."
So sprang er hin, den Reis zu holen,
und schüttelt ihn halb in die Kohlen
mit einem derben Fluch, der Schlöffel;
den Rest dann rührt er mit dem Löffel.
Doch wieder brüllte jetzt die Kuh.
„Ja“, sagt er, „nun bekommst auch du,
hübsch immer einer nach dem andern,
wie jenes Mädchen sprach von Flandern!“
Doch wie er jetzt im Stalle war,
kein Heu, er ward's mit Schreck gewahr,
noch krasser war da. „Das ist zu toll,
wenn ich erst Futter machen soll,
darüber fängt das Wasser an
zu brodeln, ich geschlagner Mann,
und läuft mir über: welcher schade
an meinem Leibgericht gerade!
Doch gibt's zu allen Dingen Rat:
ein Mittel weiß ich, ganz probat."
Er nahm die Kuh beim Strick und brachte
vom Berge her sie sachte, sachte
auf seines Hauses moos'gen First:
„Da weide du; ich weiß, du wirst
zufrieden sein, es wächst da viel.“

Zur Küche eilt er dann, da fiel
ihm ein: wenn sie vom Dach stürzte
und sich um Hals und Bein verkürzte,
da käm er schlecht an bei der Frau.
Doch half er sich gewandt und schlau:
am Hals der Kuh den langen Strick
nahm er und warf ihn mit Geschick
in die Küche durch das Schornsteinloch;
dann in der Küche band er noch
sich ihn als Bein. „Nun kann ich mir
geruhig Reisbrei kochen hier.“
Er goss auch gleich das Wasser aber
und hob die Milch vom Brett herab,
maß einen Schoppen in den Brei;
den Topf dann setzt er wieder bei,
mit der linken Hand das Feuer schürend
und mit der Rechten eifrig rührend -
der Reisbrei brennt sonst an: ihr wisst,
wie widrig das dem Gaumen ist.
Inzwischen auf dem schmalen Grat
des Daches ging die Kuh und tat
vorsichtig keinen Schritt voran,
der sie zu Falle bringen kann.
Doch wie sie jetzt den Hals gereckt
nach einem Kraute, dass ihr schmeckt,
verliert sie - hieß das Kraut Schabab? -
das Gleichgewicht und stürzte herab.
Zum Glücke, weil der Strick zu kurz,
kommt sie zu Boden nicht im Sturz:
zwischen Erd und Himmel bleibt sie schweben,
vom Strick gewürgt, doch noch am Leben;
am andern Ende zog der Strick
den Mann im gleichen Augenblick
empor, dass er im Schornstein hing
und vor dem Schwaden schier verging.
Darüber kommt die Frau nach Haus
vom Feld und sieht mit Schreck und Graus
ihr Kühchen in der Luft verrecken,
schon aus dem Hals die Zunge strecken.
Zum Messer greift sie in der Hast,
den Strick Sie mit der Rechten fasst
und lässt, abschneidend mit der Linken,
das teure Gut zu Boden sinken.
Wie sie gerettet hat die Kuh,
der Küche rennt sie eilend zu,
dem Bauer recht den Marsch zu machen,
doch nicht vermochte sie‘s vor Lachen:
Die fand den Armen mit dem Kopf
gesunkenen in den Reisbreitopf;
die Füße in die Luft gestreckt,
dieweil die Zunge Reisbrei schmeckt.

So musste sie den Ehgesellen
erst wieder auf die Füße stellen.
Auch jetzt noch war's nicht Zeit zum Schelten,
das lässt die Eifrigste wohl gelten,
um Aug und Ohren hing ihm Brei,
erst muss ein großer Schwamm herbei.
Und als sie ihm den Kopf gewaschen,
da gedachte für seinen Reisbrei naschen
sie jetzt die Predigt anzuheben.
Doch ward ihm alles bald vergeben,
als er die Torheit eingestand
und sich zur Buße willig fand.
Er sprach: „Du hast wohl Recht behalten;
wir lassen' künftig hübsch beim alten.“
Man soll nicht, mag dies Beispiel lehren,
die Ordnung der Natur verkehren.


Karl Simrock