Der Vöglein Abschied.
 
Wer klappert am Dache, mein Kindlein? Horch, horch!
„Ade, lieber Bauer!“ so rufet der Storch.
„Nun ade denn, du Dorf und ihr fleißigen Leut’,
ihr Wiesen, ihr Sümpfe, wir scheiden ja heut’.
Gott segne das Hüttchen, auf dem wir gewohnt;
er lass’ es von Feuer und Stürmen verschont!
Wenn lauer im Frühling die Lüfte dann wehn,
dann gibt es ein fröhliches Wiedersehn.
Ade! Ade!“
 
Vom Bache noch einmal trinkt Nachtigall schnell.
„Ade, liebe Fluren!“ so singet sie hell;
„ihr habt mich erquicket mit Speise und Trank;
ich hab’s euch gedanket mit schmetterndem Sang.
Nun seid ihr ermüdet, wollt schlafen auch gehen, -
O, möget im Lenze ihr wonnig erstehn!
Wir Vöglein, wir können so lange nicht warten;
Gott schirme indessen den schlummernden Garten!
Ade! Ade!“
 
Zum Fenster noch einmal blickt Schwälbchen hinein:
„Ade, liebe Kinder, geschieden muss sein!
Ich hatte mein Nest an dem Fenster gebaut;
ihr habet mit Freuden die Kleinen geschaut
und gern auf mein Zwitschern des Morgens gehört
und habet mir niemals den Frieden gestört.
Drum möge auch euch in Freud’ und Gefahren
der Himmel die liebenden Eltern bewahren!
Ade! Ade!
 
Rudolf Löwenstein