Ein Greis von achtundachtzig Jahren,
Ein armer, abgelebter Greis
Mit wenigen schneeweißen Haaren
Kam aus dem Walde, trug auf seinem krummen Rücken
Ein schweres Bündel Reis.

Ach Gott, der arme Greis!
Er musste wohl sehr oft sich bücken,
Als er die Reiserchen im weiten Walde las;
Er hatte keinen Sohn, sonst hätte der‘s getan.

Und weil vor Mattigkeit er nun nicht weiterkann,
So setzt er‘s ab. Und als er nun da saß
Bei seinem Bündel und bedachte,
Wie viel Beschwerde, Müh‘ und Not
Das Bündel Reis ihm machte,
Wie viel sein bisschen täglich Brot:
Da seufzt er lebenssatt und weint und ruft den Tod.
„Befreie,“ spricht er, „mich von aller meiner Not
Und bringe mich zur Ruh!“

Der Tod kommt an, geht auf den Rufer zu.
„Was willst du,“ fragt er ihn, „du armer Alter du,
Dass du mich hergerufen hast?
Du trägst auch eine schwere Last!“

„Ach, lieber Tod,“ versetzt darauf
Der arme Greis, „hilf sie mir auf!“

Johann Wilhelm Ludwig Gleim